Learn German Today_blended learning

E-Learning, Präsenzunterricht oder beides? Lesen Sie hier meine Gedanken zu den Themen Grammatiklernen und E-learning.

 

Ein blended-learning Ansatz zum Erlernen der deutschen Grammatik für Deutschlernende

Für viele Deutschlernende stellt die Grammatik ein großes Hindernis dar, die Sprache schnell zu erlernen und sich mit ihr anzufreunden. Die Fülle an Inhalten, die derzeit im Internet verfügbar sind, macht diese Situation nicht besser. In diesem Artikel möchte ich als erfahrene DaF/DaZ-Lehrerin und E-Learning-Kursgestalterin zeigen, wie man Deutschlerner bei ihren Bemühungen, die deutsche Grammatik zu lernen, besser unterstützen kann. Dabei werde ich Fragen und Probleme im Zusammenhang mit E-Learning aufzeigen. Zum Schluss möchte ich eine Blended-Learning-Lösung zum leichteren und schnelleren Erlernen der deutschen Grammatik vorstellen.

Ziele: Vier Fertigkeiten

Was wollen wir eigentlich erreichen, wenn wir eine neue Sprache lernen?

Jeder von uns mag hier unterschiedliche Schwerpunkte haben, aber das gemeinsame Endziel des Sprachenlernens ist normalerweise der Wunsch, die neue Sprache zu sprechen, zu schreiben, zu lesen und zu verstehen. Obwohl für viele Deutschlernende schwierig und aufwendig zu lernen, ist Grammatik vor allem ein wichtiges Mittel zum Zweck.

Erfordernisse: Vier Kompetenzen

Um eine Sprache gut zu beherrschen, benötigen wir eine ausreichende Anzahl von Wörtern (Wortschatz), eine gute Aussprache (Phonetik), eine Vorstellung davon, wie Wörter und Sätze zusammengebaut werden (Grammatik) und darüber hinaus Informationen über das Land (Landeskunde). Um Flüssigkeit beim Sprechen zu erreichen, sind Übung und der Kontakt zu Muttersprachlern wichtig.

Aktuelle Situation  

Muttersprachler benutzen ihre Sprache meist spontan und unbewußt. Es ist ihnen oft völlig unklar, wie komplex, anspruchsvoll und schwer zu fassen Sprache eigentlich ist. Erst wenn wir als Erwachsene versuchen, eine neue Sprache zu erlernen, wird uns plötzlich klar, dass selbst das kleinste Ding in unserer Welt eine Bezeichnung hat, die man sich merken muss. Wörter rufen Stimmungen und Gefühle hervor und sind in Situationen eingebettet. Jede Sprache baut Sätze und Texte nach ihren eigenen sprachlichen und kulturellen Regeln.

In den letzten 10 Jahren sind viele Online-Materialien für Deutschlernende entstanden. Perfekte Lösungen für Sprachlerner gibt es aber bislang nicht, und es hat sich eine anhaltende Diskussion unter Lernenden und Lehrenden darüber entwickelt, wie hilfreich diese Materialien eigentlich sind. Das Spektrum reicht von begeisterten Anhängern des E-Learning bis zu starken Skeptikern.

Um die vier Fertigkeiten zu entwickeln, müssen Sprachenlernende mit lebenden Menschen kommunizieren. Sie brauchen das Feedback ihrer Lehrer und Lernpartner in der Klasse. Machen wir uns nichts vor: Sprachlernprogramme wie Duolingo machen Spaß und funktionieren eine Zeit lang, aber als einziges Instrument zum Erlernen einer Sprache sind sie nur von begrenztem Nutzen. Meiner Meinung nach ist es nicht möglich, Lehrer durch E-Learning-Angebote zu ersetzen. Ich werde weiter unten erklären, warum das so ist.

Der effektivste Weg, eine Sprache zu erlernen, ist meiner Meinung nach der "Blended Learning"-Ansatz, der analoges Lernen mit E-Learning verbindet.

Mehrere Szenarien sind denkbar, um Blended Learning in die Praxis umzusetzen. In diesem Artikel möchte ich einen Vorschlag dazu machen. 

Die Rolle von E-Learning beim Erwerb von Fertigkeiten und Kompetenzen

1.           Fertigkeiten (Sprechen, Lesen, Schreiben, Hören)

Ich bin davon überzeugt, dass die vier Fertigkeiten im Unterricht und mit Hilfe von Lehrenden am besten trainiert werden können. Ein Lehrer als Moderator hilft beim Üben der Fertigkeiten und gibt qualitativ hochwertiges Feedback, das das von Computern bei weitem übertrifft. Nur im Unterricht ist es möglich, gelernte Inhalte zu kombinieren und in sinnvolle Kommunikation umzusetzen.

2.        Kompetenzen (Wortschatz, Grammatik, Phonetik, Landeskunde)

Es ist ganz normal, dass ein Chemiestudent die Elemente des Periodensystems auswendig lernen muss. Genauso stellen die Kompetenzen Inhalte dar, die von Deutschlernenden gelernt werden müssen. Die Kompetenzen können als E-Learning-Material präsentiert werden und dann in kommunikativen Situationen im Klassenzimmer und in der realen Welt geübt werden.

Es gibt eine Reihe verschiedener E-Learning-Tools im Internet, die auf die Kompetenzen abzielen (z.B. Wortschatzapps wie Quizlet oder Anki, Webseiten zur deutschen Sprache und Kultur wie Deutsch lernen Deutsche Welle oder Slow German, Communities für DeutschlerInnen wie Deutsch für Dich) vom Goethe-Institut und Grammatikvideos für Deutschlernende auf YouTube).

Bei der Verwendung dieser kostenlosen Tools treten jedoch in der Regel eine Reihe von Problemen auf:

  • Der Inhalt ist oft weitverstreut und Lernende verbringen viel Zeit mit Suchen

  • Informationen sind nur bruchstückhaft verfügbar, und die Lernenden erkennen oft keinen Zusammenhang

  • Die Informationen sind von unterschiedlicher Qualität und es ist für Lernende nicht leicht, gutes Material von weniger gutem zu unterscheiden

Analoges Lernen: Eine Grammatik-Lektion im Unterricht

In den letzten Jahren habe ich viel Zeit darauf verwendet, ein E-Learning-Tool zum Erlernen der deutschen Grammatik zu entwickeln. Warum? Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich zunächst ein paar Gedanken zum Unterrichten und Erlernen der deutschen Grammatik im Unterricht äussern.

Hier sehen Sie ein Tafelbild aus einer meiner Klassen für fortgeschrittene Deutschlerner. Die Teilnehmenden haben Informationen zu einem Grammatikthema gesammelt und in einem Diagramm an der Tafel angeordnet. Später haben sie das Erlernte angewandt und in unterschiedlichen Situationen geübt.

Ich denke, an diesem einen Beispiel wird bereits klar, dass das Erarbeiten und Üben von Grammatik im Unterricht viel Zeit kostet – unabhängig vom Niveau der Deutschlernenden.

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Außerdem wollen wir im Klassenzimmer natürlich noch viel mehr erreichen: flüssiges Sprechen, korrekte Aussprache, Wortschatzerweiterung, richtiges Textverständnis, Hausaufgabenkontrolle, Schreibtraining, Prüfungstraining u.s.w.

Unterrichten und gemeinsames Lernen macht viel Spaß. Es ist manchmal aber auch frustrierend, sowohl für Lernende als auch für Lehrende.

  • Nachdem die Lernenden viel Zeit mit Grammatik verbracht haben, sind die Regeln oft schnell wieder vergessen. Mehrere Studien haben versucht herauszufinden, wie oft Lernende neue Inhalte hören oder sehen müssen, bevor sie sie wiedererkennen oder selbst benutzen können. Die meisten Studien gehen von 7 bis 15 Mal aus. Videolektionen können hier von großem Nutzen sein. Sie ermöglichen es den Lernenden, Wortschatz und Strukturen nach ihren individuellen Bedürfnissen zu wiederholen und zu festigen.

  • Die meisten Klassen sind hinsichtlich der Vorkenntnisse der Teilnehmenden sehr heterogen. Auf mittlerem Niveau sind einige Deutschlernende mit den Grammatikregeln und ihrer Anwendung schon gut vertraut, während andere noch an grundlegenden Konzepten arbeiten müssen. So kann der Unterricht für die eine Gruppe von Deutschlernenden überfordernd sein, während er für die andere schon langweilig ist.

  • Im Unterricht ist es normalerweise nur möglich, einen winzigen Teil eines Grammatikthemas zu bearbeiten. Wie in der Geschichte vom Elefanten und den sechs Blinden nehmen die Deutschlernenden nur einen Teil des Gesamtbildes wahr, was zu viel Verwirrung und Frustration führen kann. Auch hier können Videolektionen, die jeweils einen Teil des Puzzles darstellen, den Deutschlernenden helfen, das Bild selbstständig zusammenzufügen und den Überblick zu behalten.

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Eine Blended-Learning Lösung zum Erlernen der deutschen Grammatik

Die oben beschriebene Situation kann durch spezielle Grammatikkurse in einem Blended-Learning-Ansatz behoben werden. Wenn wir den Unterricht mit einem Online-Kurs ergänzen, der den Deutschlernern vor und / oder nach dem Unterricht zur Verfügung steht, reduziert sich die Zeit für Erklärungen im Klassenzimmer und es kann mehr Unterrichtszeit für das Üben und die tatsächliche Verwendung der Sprache benutzt werden.

Dieser Ansatz bedeutet für die Lernenden einen Zugewinn an Autonomie und Sicherheit. Auch Engagement und Lerngeschwindigkeit sollten zunehmen.

In Video-Kursen kann Grammatik Schritt für Schritt mit einfachen Erklärungen dargestellt werden. Teilnehmende werden so mit Hilfe von Farben, Beispielsätzen, Grafiken und Bildern durch ein ganzes Grammatikthema geführt. Das ist die Grundidee von „Grammatik sehen“. Für einige Beispiellektionen, besuchen Sie bitte LEARN GERMAN TODAY.

Ein schöner Nebeneffekt dieses Konzepts ist, dass ein ergänzender Online-Kurs eine geringere Investition für Deutschlernende und Unternehmen bedeutet. Schließlich sollten Online-Kurse günstiger sein als Unterrichtszeit, bei denen ein Lehrender nur maximal 20 Schüler betreuen kann.

Was halten Sie von diesem Ansatz? Ich freue mich sehr auf Ihre Ideen und Erfahrungen und über Ihr Feedback.

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